Recht: Weiter Unklarheit über Urlaubsanspruch...
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Weiter Unklarheit über Urlaubsanspruch bei Quarantäne


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Ob eine Coronainfektion Einfluss auf den Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers hat, muss der Europäische Gerichtshof entscheiden.
Ob eine Coronainfektion Einfluss auf den Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers hat, muss der Europäische Gerichtshof entscheiden.

Frankfurt (abz). Das Bundesarbeitsgericht setzt das Verfahren aus und gibt die Klärung weiter an den Europäischen Gerichtshof.

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, wird ihm der „verlorene“ Urlaub gutgeschrieben. Ob dies auch dann gilt, wenn der Arbeitnehmer während seiner geplanten Urlaubszeit zwar nicht erkrankt ist, aber in Quarantäne muss, sollte heute das Bundesarbeitsgericht entscheiden. Dieses setzte aber das Verfahren aus und rief den Europäischen Gerichtshof zur Klärung an. Dieser muss nun entscheiden, ob das europäische Recht die Nachgewährung infolge einer Quarantäne „verlorenen“ Urlaubs verlangt. Die Rechtslage stellt der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Prof. Michael Fuhlrott dar.

Gesundheitsamt ordnete Verbot zum Verlassen der Wohnung an

Anlass der Befassung der höchsten deutschen Arbeitsrichter war die Klage eines Schlossers. Dieser hatte bei seinem Arbeitgeber Urlaub für die Zeit vom 12. bis 21. Oktober 2020 beantragt und auch genehmigt erhalten. Am 14. Oktober ordnete die zuständige Gemeinde die häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis 21. Oktober an, da der Schlosser unmittelbaren Kontakt mit einem Corona-Infizierten gehabt hatte. Das Gesundheitsamt verbot ihm, die Wohnung zu verlassen.
Dies teilte der Schlosser seinem Arbeitgeber mit und verlangte die Gutschreibung der Urlaubtage. Der Arbeitgeber lehnte dies aber ab. Dagegen klagte der Arbeitnehmer. Während er vor dem Arbeitsgericht Hagen erfolglos war, gab ihm das Landesarbeitsgericht Recht. Damit war nun der Arbeitgeber nicht einverstanden und legte Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ein, das den Fall am gestrigen Dienstag verhandelte.

Bei „normaler“ Erkrankung besteht Klarheit

Gesetzlich geregelt ist im deutschen Arbeitsrecht der Fall, wenn der Arbeitnehmer während seines Urlaubs erkrankt. Dann greift die Vorschrift des § 9 Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG), wonach dem Arbeitnehmer „die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet“ werden. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer in Quarantäne muss, fehlt es hingegen an einer gesetzlichen Regelung. Denn die Vorschrift aus dem Bundesurlaubsgesetz ist mangels Arbeitsunfähigkeit nicht direkt anwendbar. Daher ist bislang ungeklärt, ob auch in einem solchen Fall eine Nachgewähr von Urlaub erfolgt oder ob der Arbeitnehmer das Nachsehen hat.

Verschiedene Arbeitsgerichte hatten sich dazu in der Vergangenheit auf Seiten des Arbeitgebers gestellt. Denn die Sondervorschrift aus dem Bundesurlaubsgesetz habe Ausnahmecharakter und sei daher eng anzuwenden. Die Frage war aber höchstrichterliche bislang ungeklärt, andere Gerichte hatten einen Vergleich zwischen Quarantäne und Erkrankung gezogen und die Nachgewähr von Urlaub bejaht.

Entscheidung dürfte erst im kommenden Jahr fallen

Mit seiner Entscheidung von gestern (Az.: 9 AZR 76/22, PM Nr. 30/22) ließ nun das Bundesarbeitsgericht die Streitfrage vorerst offen. Es rief den Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Wege der Vorabentscheidung zur Klärung an. Dieser solle nunmehr entscheiden, ob die europäische Arbeitszeitrichtlinie einer deutschen Regelung entgegenstehe, wonach „Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde wegen Ansteckungsverdachts angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nicht nachzugewähren ist.“ Mit einer Entscheidung des EuGH dürfte erst im kommenden Jahr zu rechnen sein. Damit bleibt die Rechtsfrage in Deutschland vorerst ungeklärt und dürfte bis zu einer verbindlichen Entscheidung des Europäischen Gerichtshof zu weiteren Verfahren zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern führen, meint Arbeitsrechtler Fuhlrott.

 

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