Know-how: Proaktiv und gut durch die Krise
Know-how

Proaktiv und gut durch die Krise


K.U.Hässler/Stock.Adobe.com

Ein Branchenexperte beschreibt, wie in Krisenzeiten, einer drohenden wirtschaftlichen Schieflage begegnet werden kann. Und wie im Fall der Fälle ein Insolvenzverfahren positiv angegangen wird.

Zu hohe Kosten und ausbleibende Gäste und Kunden belasten gastronomische Betriebe und auch das Bäckerhandwerk. Was ist, wenn dadurch womöglich eine Insolvenz droht? Welche Hilfsmöglichkeiten – von Überbrückungsfinanzierung bis zur Schuldnerberatung – bieten sich an?

Branchenexperte Erich Nagl erklärt, worauf es im Falle des Falles ankommt. Nagl ist seit 2011 Leiter der ETL Adhoga Steuerberatungsgesellschaft und  war in führenden Positionenen in der Gastronomi. ETL Adhoga ist auf die Beratung von Gastronomen und Hoteliers rund um die Themen Steuern, Recht und Unternehmensführung spezialisiert.

Sein Leitfaden gibt Tipps, um eine drohende wirtschaftliche Schieflage abzuwenden – und eine mögliche Insolvenz erfolgreich zu vermeiden. 

1. Angebote hinterfragen

 Zunächst sollte das Angebot überprüft werden. Trifft man damit wirklich zu 100 Prozent die Kundenbedürfnisse? Warum kommen Gäste zu uns und wie erfüllen wir dieses Motiv?

2. Preise richtig kalkulieren

 
Auch dabei gibt es in der Praxis erhebliche Defizite. Während die einen nach einem erlernten Schema kalkulieren und dabei natürlich auch Gewinne einbeziehen, vergessen sie oftmals, dass sich Preise am Markt auch durchsetzen lassen müssen. Die Folge: Preise werden häufig zu hoch angesetzt. Andere wiederum wollen ihre Produkte unbedingt an den Mann bringen und setzen Preise an, die nicht einmal kostendeckend sind. Finger weg von der Aufschlagskalkulation. In einer Welt sich sprunghaft verändernder Einkaufspreise sollte nur mit der Deckungsbeitragsrechnung gearbeitet werden. Dies jedoch regelmäßig und konsequent. Produkte oder auch Öffnungszeiten, die keinen ausreichenden Beitrag zur Deckung der Fixkosten leisten, müssen kritisch hinterfragt und verändert werden. Wir raten dringend dazu, das Angebot nach Rentabilität und aktueller Verfügbarkeit auszurichten und gegebenenfalls zu verkleinern. 

3. Mindestumsatz pro Stunde

Ratsam ist, den Mindestumsatz pro Stunde zu erfassen und in die Dienstplangestaltung einfließen zu lassen bzw. die Öffnungszeiten zu überprüfen. Bäckereien mit Gastronomie, deren Lokalität es hergibt, sollten zudem den Verkauf von Events forcieren und ihre Zahlungsbedingungen überdenken. Lieber richtet man eine Zahlung nach Vorkasse ein, als dem Geld lange nachzulaufen. Doch was tun, wenn alle vorgenannten Punkte geprüft und alle Möglichkeiten zur Optimierung ausgeschöpft sind? 

4. Sanierungsoptionen prüfen

Gerät der Betrieb trotz aller Maßnahmen in eine Schieflage, ist es nun wichtig, nicht die Augen zu verschließen, sondern aktiv und rechtzeitig alle Sanierungsoptionen auszuleuchten. Eine Option ist es, mit den Gläubigern Vergleiche auszuhandeln – beispielsweise durch die Vereinbarung von Teilverzichten und/oder Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen. Wichtig ist hierbei, alle Gläubiger gleich zu behandeln, damit die Vergleiche im Nachhinein nicht angefochten werden können. Wenn es gelingt, mit allen oder mit einer zuvor definierten und offengelegten Mehrheit der Gläubiger Vergleiche abzuschließen, sind diese unbedingt einzuhalten. Eine zweite außergerichtliche Chance gibt es in der Regel nicht.

Und wenn das nicht klappt?

Dann bleibt nur noch der Weg zum Insolvenzgericht, wobei die Sanierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren regelmäßig unterschätzt werden. Insbesondere im Eigenverwaltungsverfahren sind die Chancen einer Fortführung des Unternehmens sehr hoch. Hier bleibt der Geschäftsführer an Bord und bestimmt in Abstimmung mit einem gerichtlich bestellten Sachwalter selbst die Geschicke des Unternehmens. Das Unternehmen stellt sich hier quasi unter den Schutz der Insolvenzordnung (InsO), die sogar ausdrücklich in § 1 das Ziel des Erhalts des Unternehmens ausgibt. Mit den Regelungen der InsO ist es oftmals leichter, Restrukturierungsmaßnahmen wie beispielsweise die Anpassung von Mietverträgen oder auch die Kündigung von für das Unternehmen ungünstigen Verträgen durchzusetzen.

In den ersten drei Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahren können die Löhne durch das seitens der Bundesagentur für Arbeit ausgegebene Insolvenzausfallgeld ausgeglichen werden. In vielen Fällen führt diese Liquiditätsunterstützung dazu, eine Fortführung in der Insolvenz überhaupt erst zu ermöglichen. Am Ende des Verfahrens wird das Unternehmen dann durch einen Insolvenzplan entschuldet, der – anders als ein außergerichtlicher Vergleich – nur von einer Mehrheit von Gläubigergruppen angenommen werden muss.

Den schwierigen Winter 2022/23 mit Hilfe einer Insolvenz in Eigenverwaltung zu überstehen und das Unternehmen so zu sichern, ist möglich. Es ist ein Manöver, das aber auf keinen Fall ohne fachkundigen Steuer- und Rechtsbeistand angegangen werden sollte. 

Welche staatlichen Hilfen können in Anspruch genommen werden? 

Es ist derzeit noch unklar, ob und in welchem Umfang staatliche Förderprogramme erneut aufgelegt werden und welche Hilfen aus dem „Doppelwumms" bei wirklich ankommen. Auch ist derzeit noch unklar, welche konkreten Entlastungen die angekündigte Energiepreisbremse für den jeweiligen Betrieb bringen kann.

Welche steuerlichen Möglichkeiten gibt es, auf wirtschaftliche Schieflagen zu reagieren? 

Zunächst sollte ständig beobachtet werden, ob genügend Liquidität vorhanden ist und die Verbindlichkeiten im Rahmen der Fälligkeit bedient werden können. Dafür sollten die Zahlen dauerhaft geplant werden. So lässt sich etwa erkennen, ob die steuerlichen Vorauszahlungen zu hoch sind. Sie könnten auf Antrag gesenkt werden, was sofort eine Liquiditätserleichterung bringt. Bei Zahlungsschwierigkeiten kann aber auch eine Stundung der Steuer und der zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge beantragt werden. 

Gibt es weitere steuerliche Möglichkeiten, wenn es eng wird?

Ja, von meinen Kolleginnen und Kollegen habe ich von steuerlichen Wahlrechten erfahren. So kann aus steuerbilanzieller Sicht geprüft werden, wie man die Wirtschaftsgüter am besten abschreibt. Hier besteht auch für 2022 angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter die Möglichkeit, statt der linearen sogenannte degressive Abschreibungen vorzunehmen. Dies kann temporär den steuerlichen Aufwand erhöhen und damit den zu versteuernden Gewinn senken. Steuerlichen Aufwand kann man zudem durch die Bildung von Rückstellungen, etwa in Form von Investitionsabzugsbeträgen für künftig geplante Investitionen schaffen. All dies kann die zu erwartenden, künftigen Steuerzahlungen senken und die Liquidität verbessern.

Welche Hilfe leisten spezialisierte Steuerberater? 

Wir kümmern uns verstärkt darum, dass unsere Mandanten mit ihren Auswertungen, die sie von uns bekommen, eventuell aufkommende Schieflagen frühzeitig erkennen und gegensteuern können. Für unsere Kolleginnen und Kollegen „leben" die Zahlen und in unserem großen Netzwerk finden sich oft gute Ansätze auch für schwierige Situationen. Wir raten dringend zur Führung einer rollierenden Liquiditätsplanung, um einen klaren Blick auf die Entwicklung zu haben. Hierbei kann Ihnen Ihr Steuerberater helfen, denn er steht so nahe am Unternehmen, dass er frühzeitig Ihre Situation erkennen und eine erste Analyse Ihrer BWA und Ihrer Liquiditätssituation vornehmen kann. Ferner kann er Ihnen erfahrene Sanierungsberater an die Seite stellen, damit Sie die Haftungsfallen wirksam umgehen können.  



Dieser Text erschien zuerst auf www.food-service.de.

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