Die deutschen Banken wollen das Zahlungsmittel EC-Karte um neue Funktionen ergänzen und so zukunftsfest machen. Zu dieser Entwicklung zu einer "Girocard 4.0" gehören mehr Flexibilität im Instore-Einsatz und Möglichkeiten für In-App- und Wallet-Zahlungen.
In einem mehrstufigen Prozess will das Bankenkonsortium Euro Kartensysteme das in Deutschland bei weitem meist genutzte bargeldlose Zahlungsmittel deutlich aufwerten: Die früher EC-Karte genannte Girocard soll in drei Stufen bis 2026 zu einer "Girocard 4.0" entwickelt werden.
Die für Händler wichtigsten neuen Funktionen sind die Möglichkeit einer Vorab-Autorisierung von Zahlungen vor Abschluss des Kaufakts, eine Verknüpfung mit Loyalty-Systemen und digitalen Kassenbons sowie die Digital-Optimierung für In-App-Zahlungen und Integration in Smartphone-Wallets. Das alles soll bereits Ende 2023 in der ersten Stufe als Teil-Release 2.0 ("Girocard 2.0") einsatzfähig sein, erläutert Oliver Hommel, Vorsitzender der Geschäftsführung von Euro Kartensysteme. Dieses Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Banken pflegt und entwickelt das Girocard-System.
Vordringen in den App-Bereich
Hommel spricht von "einem dynamischen, evolutionären Entwicklungsprozess, der das Girocard-System deutlich leistungsfähiger macht". Die für die Zukunft vermutlich größte Bedeutung hat das geplante Vordringen in den Bereich der In-App-Payments mit dem Smartphone – also dem Auslösen einer Zahlung, ohne die jeweilige App verlassen zu müssen. Bereits heute viel genutzte Apps mit einer solchen Funktion sind etwa der DB-Navigator, Free Now für den Taxi-Ruf, Nahverkehrs-Apps und Mobile Games. Hier ist bisher Paypal eindeutigen Marktführer. In-App-Zahlungen laufen auch in Händler-Apps mit M-Payment-Funktion wie Lidl Plus, Netto, Edeka und Payback Pay ab. Euro Kartensysteme denkt für die zweite Stufe auch über weitere neue Einsatzmöglichkeiten in Händler-Apps nach.
Integration in Systeme wie Apple Pay
Auch die Möglichkeit einer Integration der Girocard in Handy-Wallets wie Apple und Google Pay oder die Wallets der deutschen BBanken dürfte für die Zukunft des Systems wichtig sein. Online-Überweisungen als heute wichtigerer Payment-Baustein des E-Commerce sind in der Arbeitsteilung der deutschen Kreditwirtschaft allerdings dem Schwester-System Giropay vorbehalten.
Ebenfalls Ende dieses Jahres fertig entwickelt sein soll die Möglichkeit, Geldbeträge schon vor dem endgültigen Abschluß einer Transaktion zu autorisieren. Damit wird das Girocard-System etwa bei der Reservierung von Mietwagen oder Hotels mit Kreditkarten gleichziehen. Diese Flexibilisierung bringt aber auch Händlern Vorteile, etwa wenn ein Onlineshop den endgültigen Rechnungsbetrag erst nach Abschluss möglicher Retouren kennt. Beim Internet-Kauf von Lebensmitteln erlaubt sie die Autorisierung gewichtsvariabler Ware, deren Preis sich erst bei der Kommissionierung ergibt.
Girocard das wichtigste unbare Zahlungsmittel
Erst in weiteren Gesprächen mit dem Handel werden sich Details von Funktionen ergeben, die Hommel als "paymentnahe Mehrwertleistungen" zusammenfasst. Das könnten unter anderem bereits Ende 2024 digitale Kassenbons und dann 2026 die Verknüpfung mit Loyalty-Systemen sein. Für die gesamte Arbeit an Girocard 4.0 gilt im Vergleich zur Vergangenheit laut Hommel: "Wir wollen und wir werden schneller werden."
Die Girocard ist für deutsche Verbraucher und damit auch den Handel wichtig: Sie deckte inklusive des Unterschriftsverfahrens nach der neuesten Erhebung des
Forschungs- und Bildungsinstituts EHI im Jahr 2021 knapp 82 Prozent der unbaren Zahlungs-Transaktionen im stationären deutschen Einzelhandel ab. Beim Umsatz waren es mehr als 82 Prozent.
Dieser Text erschien zuerst auf www.lebensmittelzeitung.net.